Am 25. Juli 2025 ist Heinrich Villiger im Alter von 95 Jahren friedlich eingeschlafen. Mit ihm verliert die Tabakwelt einen der letzten Patrons alter Schule. Einen Unternehmer, der bis ins hohe Alter mit wachem Geist, eiserner Disziplin und einer unerschütterlichen Leidenschaft für die Zigarre tätig war. Für die VILLIGER-Mitarbeitenden und für die gesamte Zigarrenbranche bleibt er jedoch weit mehr als eine Unternehmerfigur. Heinrich Villiger war Herz, Seele und Taktgeber unseres Hauses – und wird es in gewisser Weise immer bleiben.
Die Wurzeln im Wynental, den Blick in die Welt
Geboren 1930 im aargauischen Wynental, wuchs Heinrich Villiger in einer Zeit auf, in der die Zigarrenindustrie das Tal prägte wie kaum etwas anderes. Das Unternehmen seines Grossvaters Jean Villiger und seiner Grossmutter Louise war bereits fest in der Region verwurzelt, als Heinrich als junger Mann die Welt erkunden wollte. Nach seiner kaufmännischen Ausbildung zog es ihn nicht ins Studium, sondern in die Praxis. Mit viel Neugier im Koffer reiste er nach Cuba, in die USA, nach Puerto Rico und später auch nach Brasilien, Holland und in die Türkei. Er wollte verstehen, wie Tabak wächst, wie er fermentiert, wie er in unterschiedlichen Kulturen genossen wird. Diese Reisen prägten ihn und sie gaben ihm jenes tiefe Wissen über das Produkt, das ihn ein Leben lang auszeichnete.

1950 trat Heinrich Villiger als Zwanzigjähriger in das Familienunternehmen ein. Als sein Vater 1966 starb, führte er es gemeinsam mit seinem Bruder Kaspar, bis dieser 1989 in den Bundesrat gewählt wurde. Von da an war Heinrich alleiniger Patron – ein Wort, das er nie für sich selbst beansprucht hätte, das ihm aber wie angegossen passte. Nicht wenige Mitarbeitende erinnern sich an kleine Gesten der Fürsorge, die weit über das Übliche hinausgingen. So etwa, als er einer Angestellten in einer persönlichen Krise erlaubte, im Sanitätszimmer zu übernachten und den Nachtwächter anwies, immer wieder nach ihr zu sehen.
Wachstum mit Haltung
Unter seiner Führung entwickelte sich VILLIGER von einem soliden Familienbetrieb zu einem internationalen Unternehmen. Produktionsstätten in Europa, Asien und Südamerika kamen hinzu, Zigarren und Zigarillos aus unserem Haus fanden ihren Weg in mittlerweile rund 80 Länder. Mehr als eine Milliarde Stück jährlich verlassen unsere Werke – und doch blieb Heinrich Villiger stets überzeugt, dass Qualität vor Quantität steht. Eine Zigarre, so pflegte er zu sagen, sei nicht einfach ein Konsumgut, sondern ein Stück Kultur.
Charakteristisch für ihn war sein Arbeitseifer. Während andere längst im Ruhestand waren, arbeitete er täglich, oft von nachmittags bis spät in den Abend. Sein Arbeitsinstrument war eine Schreibmaschine – Computer mied er konsequent. «Wenn es kein Kohlepapier mehr gibt, lasse ich mich vielleicht pensionieren», scherzte er noch im hohen Alter. Es blieb beim Scherz: Pensioniert hat er sich nie.

Auch seine Prinzipien waren klar. E-Zigaretten bezeichnete er als «Elektroschrott» – für ihn gab es keinen Ersatz für echtes Tabakhandwerk. Gleichzeitig war er neugierig genug, Neues zu wagen, wenn es ins Bild passte. Schon im Jahr 1961 hatte er die legendäre «VILLIGER KIEL» mit dem kleinen Mundstück, welche zwischenzeitlich nicht mehr erhältlich war, wieder eingeführt – eine Erfindung seiner Grossmutter, die das Krümeln verhindern sollte. Heute gilt die VILLIGER KIEL als Kultprodukt.
Drei Meilensteine verdienen besondere Erwähnung: 1989 gründete Heinrich Villiger gemeinsam mit der staatlichen kubanischen Gesellschaft “cubatabaco” (heute “Habanos S.A.”) in Deutschland die 5TH AVENUE PRODUCTS TRADING GmbH – ein Joint Venture, das bis heute den alleinigen Import und den exklusiven Vertrieb von Havanna-Zigarren in Deutschland verantwortet und seit 2012 auch in Österreich und Polen. Nur wenige Jahre später, 1995, folgte mit der Gründung der INTERTABAK AG in der Schweiz ein weiteres bedeutendes Kapitel. Auch hier ging Heinrich Villiger eine Partnerschaft mit Cuba ein, um den offiziellen Import und den exklusiven Vertrieb von Havannas in der Schweiz sicherzustellen. Diese Kooperationen zeigen beispielhaft, wie sehr er es verstand, Tradition und Weltoffenheit miteinander zu verbinden – immer im Dienste der Zigarre. Zum 120-jährigen Jubiläum wurde im Jahr 2008 zudem mit der VILLIGER 1888 die erste handgerollte VILLIGER Longfiller-Zigarre lanciert – ein symbolträchtiger Schritt, der Tradition und Neuanfang miteinander verband.
Doch Heinrich Villiger war weit mehr als Unternehmer. Er engagierte sich jahrzehntelang in internationalen Verbänden, kämpfte für den Ruf der Zigarre und stellte sich mit Sachverstand und Leidenschaft allen Diskussionen. Dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet – unter anderem als «Habanos Man of the Year» in Cuba und mit dem «Lifetime Achievement Award» vom Fachmagazin Cigar Journal. All diese Ehrungen nahm er dankbar an, doch stets mit dem Hinweis, dass sie in Wahrheit seinen Mitarbeitenden gehörten. «Ohne sie wäre ich nichts», pflegte er zu sagen – eine Haltung, die ihn bei allen beliebt machte.
Tradition lebt weiter
Privat war Heinrich ein Familienmensch. Mit seiner Frau Martina, die er 1958 heiratete, hatte er vier Kinder. Heute sind seine Tochter Corina und sein Enkel Lucien im Verwaltungsrat tätig, und mit Jvo Grundler übernimmt ein langjähriger Weggefährte das Präsidium. Damit ist gesichert, dass die Geschichte der VILLIGER SÖHNE HOLDING AG weitergeschrieben wird – in familiärer Tradition und mit jener Mischung aus Bodenständigkeit und Weitblick, die Heinrich verkörperte.

Ein Vermächtnis, das bleibt
Für uns als Unternehmen, für alle, die ihn kannten und mit ihm arbeiteten, bleibt Heinrich Villiger ein Vorbild. Seine Disziplin, seine Geradlinigkeit, sein Humor und seine Leidenschaft haben VILLIGER zu dem gemacht, was es heute ist. Wir sind ihm unendlich dankbar – für sein Vertrauen, seine Fürsorge und seine unerschütterliche Treue zum Handwerk.
Heinrich Villiger war einer der letzten Patrons der Zigarrenbranche. Er hinterlässt uns nicht nur ein starkes Unternehmen, sondern vor allem eine Haltung: Verantwortung zu übernehmen, das Produkt zu lieben, die Menschen zu respektieren. Dieses Vermächtnis tragen wir mit Stolz weiter. Und so bleibt er – in jedem Werk, in jeder Zigarre, die unser Haus verlässt – für uns alle lebendig.