Das Tabak-Rauchen hat sich vom Kommunikations-Instrument mit den Göttern über ein Heilmittel und von einem Laster der Kirche zum Status-Symbol, einem Zeichen der Freiheit und Genussmittel entwickelt. Als Heilmittel gilt das Zigarre-Rauchen zwar nicht (mehr), aber es gibt trotzdem gute Gründe, sich gerade im Jahr 2020 eine Zigarre anzuzünden.

Vor Jahrtausenden diente Tabak den Indianern zur Kontaktaufnahme mit den Göttern. Auch bei anderen Ritualen und Zeremonien war der Tabakkonsum ein wichtiger Bestandteil der Indianer-Kultur.

Frieden und Heilung

Der Brauch des Friedenspfeife-Rauchens gehört dabei zu den auch in Europa bekannten Traditionen der amerikanischen Ureinwohner. Doch die Eingeborenen nutzten Tabakblätter nicht nur, um mit dem Rauchen einer Pfeife den Frieden zwischen zwei Völkern zu beschliessen, sondern auch als Arzneimittel zur Wunddesinfektion oder gegen Würmer.

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Tabak verteufelt und rehabilitiert

Auch als Seefahrer den Tabak im 16. Jahrhundert nach Europa brachten, wurde er zuerst als Medizin genutzt – beispielsweise gegen Kopfschmerzen, Tetanus, Gicht oder die Pest. Rodrigo de Jerez kundschaftete 1492 für Amerika-Entdecker Christoph Kolumbus Cuba aus und war der erste Europäer, der das Tabak-Rauchen erlebte. Doch dass er den Tabak dann nach Europa brachte, bereute er bald. Weil er nämlich Rauch aus den Körperöffnungen ausspie, hielt ihn die Inquisition für vom Teufel besessen und sperrte ihn für sieben Jahre in den Kerker. Doch nicht nur in Spanien und Europa gab es damals schon Tabak-Gegner. So wurde Rauchern im Russland des 17. Jahrhunderts die Nase aufgerissen und im osmanischen Reiche drohte sogar die Todesstrafe. Weil der Tabak aber dem Weihrauch so ähnlich war, schloss die Kirche bald Friede mit dem Genuss und erlaubte seinen Priestern sogar das Rauchen. Rund 300 Jahre später war für Schriftsteller Mark Twain jedenfalls klar: „Ich verzichte auf den Himmel, wenn ich dort keine Zigarren rauchen darf.“

Zigarren vom Laster zum Statussymbol

Trotz des Segens der Kirche: Im Mittelalter war der Tabak-Genuss – wie alles Vergnügliche – verwerflich und lasterhaft. Insbesondere durch die Erhöhung der Einfuhrzölle wurden dann Zigarren zum Luxusgut, das sich nur Adelige leisten konnten. Doch mit der französischen Revolution wurde die Zigarre ab Ende des 18. Jahrhunderts zum Statussymbol der neuen Oberschicht. Während der Schnupftabak in Verruf geriet, avancierte die Zigarre zum Inbegriff von Freiheit und sozialer Autorität. So trafen sich die vornehmen Herren nach dem Abendessen zum Zigarren-Rauchen in den hauseigenen Raucherzimmern. Die Zigarre symbolisierte Wohlstand, Macht und Männlichkeit. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg und mit der Emanzipation wurde das Rauchen für Frauen gesellschaftsfähig.

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Zigarre - Eine zeitlose Frage der Zeit

Unterdessen wird zwar noch mehr geraucht als damals - jedoch mehrheitlich Zigaretten. So ist der Genuss einer Zigarre in der heutigen Zeit vor allem eines – eine Frage der Zeit. Aber auch eine Frage der Wertschätzung. Denn wenn man jemanden zu einer Zigarre einlädt, bezeugt man damit, dass man nicht nach wenigen Minuten weiter muss zum nächsten Termin. Und genau in dieser Ruhe liegt auch die Kraft des Zigarren-Rauchens. Der empfohlene Zug pro Minute macht deutlich, dass es beim Zigarre-Rauchen nicht wie bei der Zigarette um die rasche Befriedigung der Nikotinsucht geht. Beim Geniessen einer Zigarre wird „die Intensität des Lebens deutlich erhöht“, erklärt Schriftsteller Matthias Keidtel in einem Interview mit jetzt.de.

Mini-Lagerfeuer

Man werfe allen Stress ab, könne sich hinsetzen, eine Zigarre anzünden und dabei allein vor sich hindenken oder mit anderen reden. Für Keidtel ist die “qualmende” Zigarre eine Art Mini-Lagerfeuer, „an dem man sich wärmen und Geschichten erzählen kann“. Auf die Frage, ob eine Zigarre altmodisch oder modern sei, weiss Keidtel eine einfache Antwort: „Die Zigarre ist genauso modern oder altmodisch wie ein gutes Glas Wein oder ein intensives Gespräch.“ So wirken Zigarren bei ihm einerseits beruhigend, aber auch anregend. Wenn der Rauch aufsteige, sich weisse Ringe bildeten und der ganze Raum würzig duftete, könne er sich gut aufs Texten konzentrieren.

Mit Tabak zur Ruhe kommen

Obwohl man beim Zigarre-Rauchen nicht zwingend sitzen muss, sollte man nicht im Gehen rauchen, denn dadurch entgingen einem wortwörtlich die intensiven Aromen. Und gerade in der heutigen hektischen Zeit tut es gut, nicht ständig in Bewegung sein zu müssen, sondern sich hinzusetzen, am besten ins digitale Off, um fernab der Hektik des Alltags für 30 bis 120 Minuten zu entfliehen – und dabei zu sich selbst finden. Der 1955 verstorbene Schriftsteller Thomas Mann hätte damals wohl problemlos einen Tag ohne Smartphone überstanden, „aber ein Tag ohne Tabak, das wäre für mich der Gipfel der Schalheit, ein vollständig öder und reizloser Tag“.

Macht und Erfolg

Für Zigarren-Experte Benjamin Patock steht die Zigarre für einen genussorientierten,

selbstbewussten Menschen, der Risiken eingeht. Doch Patock betont auch, dass eine Zigarre die ideale Voraussetzung dafür ist, ein Geschäft abzuschliessen, wie er auf businessinsider.de erklärt. „Man zeigt dem Gegenüber damit, dass er einem Zeit und Geld wert ist.“ Zudem können Geschäftsleute mit der Zigarre auch Macht und Erfolg demonstrieren, denn: „Wer im hektischen Berufsalltag raucht, der zeigt damit, dass er so erfolgreich ist, dass er es sich leisten kann, sich ein bis zwei Stunden Auszeit zu nehmen, um eine Zigarre zu geniessen.

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Zigarren Genuss im Vordergrund

Für Aficionados ist das Gefühl, der Geschmack einer guten Zigarre und die Gedanken, die man dabei schweifen lässt, schwer in Worte zu fassen. Für Matthias Keidtel geht es jedenfalls nicht darum, sich mit der Zigarre ein gewisses Image zu verschaffen. „Entscheidend ist die Einstellung, und meine Einstellung zur Zigarre ist geprägt vom geschmacklichen Erlebnis, vom Genuss.“ Als Arzneimittel gilt Tabak heute nicht mehr. Und für Oscar Wilde brauchten Zigarren auch keine medizinische Heilwirkung. Aber für ihn stand fest: „Der Genuss einer guten Zigarre lässt uns an Zeiten zurückerinnern, die es gar nicht gegeben hat.“

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